Zur Selbstjustiz: Mein Verständnis von Sportgerichtsbarkeit ist das, dass es bestimmte Institutionen gibt, die dafür zuständig sind, das Verhalten von Sportlern zu bewerten und ggf. zu sanktionieren. Wenn einzelne Sportler dann meinen, diesen Weg ignorieren zu können und "selbst" handeln, ist das für mich in der Tat eine Form der Selbstjustiz und zudem nicht akzeptabel. Heiko Kummerow ist NICHT die Instanz, die zu bewerten hat, ob Kolkin ein Betrüger ist oder nicht. Er hat sich aber dieses Recht angemaßt und im Rahmen seiner Möglichkeiten gehandelt. Im Übrigen hat mir noch keiner erklären können, weshalb er zur achten UND neunten Runde nicht angetreten ist. Hätte er nicht in der neunten Runde seine tolle Eloperformance noch ein wenig verbessern können?
Und den Vorgang halte ich deshalb für lächerlich, weil Kummerow nicht aus moralischen Bedenken heraus gehandelt hat, sondern zugibt, dass es ihm um seine Wertungszahl ging. Es ging nicht um Platzierungen oder die sportliche Herausforderung, sondern lediglich um irgendeine statistische Zahl, deren Aussagewert doch ziemlich beschränkt ist. Und die Einstellung "Nö. Ich spiel nicht; meine ELO ist gefährdet" finde ich in der Tat witzig.
Und zum hinkenden Vergleich: Ich hätte dann gerne mal ein Beispiel aus einer anderen Sportart, in der ein analoges Verhalten rechtens bzw. gerechtfertigt sein soll.
P.S. Ich will nicht falsch verstanden werden. Ich will Kolkin in keinster Weise verteidigen. Aber der Fall hat mehrere Aspekte und ich finde es lohnend, auch die andere Seite mal zu betrachten, weil Schachspielern öfter mal die Robustheit anderer Sportler ein wenig abgeht und Pseudo-Probleme ein wenig zu sehr aufgebauscht werden.
Als Teilnehmer an dem Open ist mir Kolkin während des Turniers nicht negativ aufgefallen (hatte in 7 Runden die Gelegenheit, in demselben Raum zu spielen). Dass Kummerow es plötzlich nicht nötig hat, gegen Kolkin zu spielen und dann auch noch das Turnier ganz abbricht, lässt sich wohl nur mit dieser Wertungszahl-Gläubigkeit dieser Herren erklären. So ähnlich hat sich Kummerow ja auch selbst geäußert. Der Heilige Heiko soll ja sogar Jugendtrainer sein. Mir gefällt es einfach nicht, wenn solche Leute meinen, Selbstjustiz betreiben zu müssen.
Ich oute mich hier mal mit der Aussage, dass Kummerows Rückzug lächerlich ist. Wenn man eine Analogie zu anderen Sportarten zieht, wird das offensichtlich. Das mag zwar alles ziemlich unschön sein, was Kolkin macht, wenn es sich bestätigt, aber brechen z. B. Fußballmannschaften die Saison ab, weil sie vermuten, dass andere Mannschaften mauscheln???? Das ist mir in 27 Jahren Vereinsfußball noch nicht einmal begegnet.
In diesem Sinne, JB
Diese Angaben basieren auf den Useraktivitäten der letzten 60 Minuten.